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Das basisdemokratische Internet als Grundlage für Internetkommunikation und Grundrechte

Das basisdemokratische Internet als Grundlage für Internetkommunikation und Grundrechte

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Klaus-Dieter Stoll, Not-for-Profit Organizations Constituency (NPOC)

In seinem Artikel behandelt Julian Nida-Rümelin die Themen Menschenrechte und Demokratie, Internet und Menschenrechte und schließlich Internetkommunikation und Menschenwürde. Was Julian Nida-Rümelin trennt, aber nicht scheidet, möchte ich zusammenbringen: Demokratie des Internets als Grundlage für Internetkommunikation und Grundrechte.

Digitale Kommunikationsmedien sind ein Instrument für die menschliche Existenz und Entwicklung von höchster Bedeutung und Wert. Daher muss Internet Governance zu einem Thema des gemeinsamen Interesses und der Diskussion für alle werden, so wie es z.B. Frieden, Umwelt und Klimawandel bereits sind. Hier liegen aber auch das grundlegende Problem und die größte Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen.

Man kann das Internet heute vergleichen mit einer globalen Gesellschaft, in der 1 % der Bevölkerung Regierungsfunktionen ausübt, in der sich aber gleichzeitig 98 % der Bevölkerung noch nicht einmal darüber bewusst sind, dass überhaupt eine Regierung existiert! Alle sind Nutzer, viele sind sogar in irgendeiner Art und Weise abhängig von digitalen Kommunikationsmedien, aber nur sehr wenige wissen, wie das Internet überhaupt reguliert wird und was ihre grundlegenden Rechte sind. Wir befinden uns hier in einer sehr gefährlichen Situation, denn nur wer weiß, wie die politischen Weichen gestellt werden und wer Zugang zum Stellwerk hat, kann seine Rechte und die anderer schützen sowie den fairen und sicheren Zugang zu den digitalen Kommunikationsmedien gewährleisten. Angesichts dieser Situation sollte es uns nicht verwundern, dass es diejenigen gibt, die die Unwissenheit und Machtlosigkeit der anderen unverschämt ausnutzen. Man braucht sich nur einige der Resolutionen anschauen, die jüngst bei internationalen Konferenzen, die sich in irgendeiner Art und Weise mit Internet Governance beschäftigen, vorgebracht wurden. Da wird mehr oder weniger offen u.a. nach Zensur, der völligen Kontrolle und unbegrenzten Speicherung von Daten, der Bevorzugung wirtschaftlicher Interessen vor den Rechten der Verbraucher verlangt, und so nebenbei werden die Grundrechte mit Füßen getreten. Dies ist nur möglich, weil die Vertreter der betroffenen Länder und geschäftlichen Interessen sehr genau wissen, dass die große Mehrheit ihrer Bevölkerung und Kunden nicht die geringste Ahnung hat, was hier getrieben wird. Die digitalen Kommunikationsmedien als globales Gut sind in Gefahr, durch das Selbstinteresse weniger zerstört zu werden, denn nun ist die Situation eingetreten, dass das 1 %, das die Regierungsgewalt des Internets beschlagnahmt hat, sich mit seiner Machtbewahrung so festgefahren hat, dass die Alternative letztendlich heißt: Aufspaltung und ein Ende des freien Datenflusses oder Demokratisierung und damit Sicherung des freien Datenflusses, der goldenen Kuh, von der wir alle unsere digitale Milch beziehen. Wenn das Internet als das globale Kommunikationsmedium für alle, sei es nun vom kleinsten Blogger bis zum größten Medienkonzern, vom gelegentlichen eBay- bis Amazon-Nutzer, erhalten werden und nicht in ein Reich der Millionen kleinen und abgeschirmten Königreiche verkommen soll, muss es grundlegend demokratisiert werden. Die Schaffung von Basisdemokratie in der Internet Governance ist zum Muss-Faktor geworden, um die Werte und Funktionen der globalen Kommunikationsmedien in der Zukunft zu erhalten. Das 1 % muss nun Wege finden, die 99 % auf basisdemokratische Weise in die Internet Governance einzubinden, ihr Selbsterhaltungstrieb macht dies zwingend notwendig. Eine goldene Kuh, die in 10.000 Stücke zerteilt wurde, gibt nun mal keine Milch mehr. Es wird ein schwerer und langer Weg werden, aber über diesen Berg müssen wir drüber! Wie sollten und können wir uns auf den Weg begeben?

In einem ersten Schritt müssen alle Bürger der globalen Internetgesellschaft darüber informiert werden, wie die gesellschaftliche Ordnung überhaupt funktioniert, was der bisherige Konsensus und der Stand der Dinge sind und welche Rechte und Pflichten eines jeden sich daraus ergeben. Basiswissen darüber, wie das Internet funktioniert und wie seine Regierungsfunktionen ausgeübt werden, muss zum Allgemeinwissen werden. Für die Teilhabe und Erfüllung der grundlegenden Rechte in einer digitalen Welt der globalen Internetkommunikation reicht es nicht aus, zu wissen, dass der Strom aus der Steckdose und das Internet aus dem Modem kommt. Es wäre sehr hilfreich, die Zeit ist reif, zumindest wieder einmal zu versuchen, eine Universal Charter of Internet Rights zu schaffen und zu etablieren. Auch dieser Berg muss bestiegen werden, auch wenn der Aufstieg so schmutzig, allseits fraglich, hinterfraglich und beschwerlich wird wie zum Mount Everest.

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Klaus Stoll nahm bei der Integration von Internet und Not-for-Profit-Organisationen eine Vorreiterrolle ein. Er ist Mitgründer der Fundación Chasquinet und Geschäftsführer der Global Knowledge Partnership Foundation. Stoll ist Experte für die strategische Nutzung von IKT in internationalen Entwicklungsangelegenheiten. Er ist zudem Berater und Autor zahlreicher Publikationen in diesem Bereich.

Die Grundlagen globaler digitaler Kommunikation Allgemeinwissen werden zu lassen, wird nicht möglich sein, wenn wir weiterhin eine Sprache benutzen, die nur von einer Elite verstanden wird. Es ist undemokratisch, weil ausgrenzend, in der Internet Governance Hunderte von Abkürzungen wie SSAC, NCSG und ccNSO zu gebrauchen. Es stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Geheimsprache einer Elite, mächtig zu sein, es handelt sich aber auch um ein Paradebeispiel der unkommunikativen Kommunikatoren. Um Basisdemokratie im Internet zu ermöglichen, muss eine Sprache benutzt werden, die ein jeder verstehen kann. Eine Gruppe von Menschen, die es geschafft hat, eine so elitäre und schwierige Sprache zu entwickeln, wie sie heutzutage von der Internet-Governance-Elite benutzt wird, ist auch schlau genug, eine Sprache zu sprechen, die verstanden wird, und Wege der Informationsvermittlung zu finden, die alle erreichen.

Im zweiten Schritt muss Internet Governance für den allgemeinen Benutzer relevant gemacht werden. Nur was relevant ist, erhält Aufmerksamkeit. Wissen ohne Relevanz ist nutzlos. Am einfachsten, Internet Governance relevant zu machen, ist es wohl, weltweit zu verkünden, dass das Internet um Mitternacht abgeschaltet wird, weil die Machthabenden das so wollen. Das ist fraglos der leichteste Weg, den Bürgern zu verdeutlichen, dass sie in einer Gesellschaft leben, in der sie die Regierung abgegeben haben, und dass es an der Zeit ist, das Verlorene zurückzuerobern. Aber der Weg ist nicht realistisch. Wir müssen uns auf den mühsamen Weg begeben, die digitalen Kommunikationsmedien mit den Bedürfnissen eines jeden Einzelnen zu verknüpfen und anschaulich zu machen. Im dritten Schritt müssen die politischen Instrumente geschaffen werden, die es einem jeglichen Bürger erlauben, am demokratischen Internet-Governance-Entscheidungsprozess teilzunehmen.

Sie werden fragen, auf Grundlage welchen Modells eine basisdemokratische Internet Governance aufgebaut werden könnte. Ich glaube, dass mit den Institutionen, die ihre Internet-Governance-Funktionen auf einem klaren und effektiven Multisektor-Stakeholder-Modell entwickelt haben, ein guter Anfang gemacht wurde. Im Zentrum steht nunmehr, einen elitär pseudodemokratischen Prozess in einen globalen basisdemokratischen Prozess zu reformieren und umzuwandeln. Packen wir es an!

Autoren
Lorena Jaume-Palasi
Lorena Jaume-Palasi
Sebastian Haselbeck
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