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Die Verantwortung der Suchmaschinen

Die Verantwortung der Suchmaschinen

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Philipp Grabensee, Afilias[1]


Nach Nida-Rümelin ist das Recht auf Internet in der Menschenrechtsdiskussion auf dem Weg, zu einem individuellen Menschenrecht, ja zu einem Grundrecht zu erstarken. Es gestaltet sich insofern zunächst als ein Abwehrrecht, indem es dem Einzelnen ein Instrumentarium zu Abwehr von staatlichen Eingriffen in seine Freiheit, das Internet zu nutzen, zur Verfügung stellt. Dieses grundrechtähnliche Recht beschränkt sich aber nicht auf ein bloßes Abwehrrecht, sondern stellt sich zunehmend auch als ein Teilhaberecht dar, indem es eine staatliche Verpflichtung konstituiert, dem Einzelnen Zugang zum Internet zu gewähren.[2]

Einziger Garant für ein derartiges individuell ausgestaltetes Teilhaberecht ist ein offenes Internet. Ein offenes Internet bedeutet heute ein global einheitliches System von Inhalten jeglicher Art, die im Wesentlichen durch Domainnamen als Adressierungssystem erreichbar sind. Die Ausübung eines solchen Teilhaberechts läuft leer, wenn zwar der technische Zugang zum Internet gewährleistet wird, aber ein offenes System von Inhalten, die für den Domainnamen hinterlegt wurden, durch ein in sich geschlossenes System von Apps oder durch ein dominierendes soziales Netzwerk verdrängt wird.[3]

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Philipp Grabensee ist Rechtsanwalt für Strafrecht und Internetrecht mit Fokus auf die Verwaltung von kritischen Kernressourcen des Internets. Er ist Mitgründer und Vorsitzender des Aufsichtsrats von Afilias Ltd. Grabensee war Mitglied des Name Councils der Domain Name Supporting Organisation (DNSO) von ICANN und ist Autor zahlreicher wissenschaftlichen Publikationen im Bereich Internet Governance.

Innerhalb solcher geschlossenen Systeme, die ganz wesentlich durch wirtschaftliche Interessen geprägt sind, stoßen demokratische Kontrollmechanismen an ihre Grenze. Die Entscheidungsmöglichkeit des Individuums wird darauf reduziert, ob es sich durch den Eintritt in ein derart geschlossenes System den vertraglich definierten Spielregeln unterwirft oder nicht. In geschlossenen Gesellschaftssystemen verschärft sich die Situation insofern, als die Spielregeln nicht vertraglich definiert werden, sondern als Gegenstand staatlicher Zensur erscheinen. Stellen geschlossene Systeme aufgrund ihrer Dominanz de facto den einzigen Zugang zum Internet dar, reduziert sich die individuelle Entscheidungsfreiheit darauf, ob man zu den Bedingungen des geschlossenen Systems am Internet teilhaben möchte oder auf eine Partizipation in dieser Weise generell verzichtet. Ein Teilhaberecht bleibt dann ohne Wirkung. Das Beispiel der in unserem virtuellen Universum so dominanten Suchmaschinen zeigt, dass sich ein offenes Internet und wirtschaftliche Interessen nicht notwendigerweise entgegenstehen. Eine Suchmaschine wird nur dann genutzt, wenn es etwas zu suchen und zu finden gibt. Und lediglich durch die Nutzung der Suchmaschinen können Werbeeinnahmen generiert werden. Insofern überrascht es nicht, dass sich die führende Suchmaschine durch ihre Bewerbung auf Zuteilung einer Vielzahl von neuen Domains erster Ordnung (TLDs) für eine Stärkung des offenen Domainnamen-Systems einsetzt.

Innerhalb eines solchen offenen Systems, welches mithin Garant für ein Menschenrecht auf Internet ist, kommt den Suchmaschinen eine hohe Verantwortung zu. Grundsätzlich setzen die Akzeptanz und damit der wirtschaftliche Erfolg einer Suchmaschine die Glaubwürdigkeit deren Suchergebnisse voraus. Diese Glaubwürdigkeit hängt wiederum davon ab, ob die Suchergebnisse neutral und jenseits von vordergründigen wirtschaftlichen Interessen generiert werden.

Ob das langfristig relevante Motiv der Glaubwürdigkeit letztlich die Oberhand gegenüber kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen behält, bleibt abzuwarten. Vielleicht kann die von Nida-Rümelin geforderte kulturelle Praxis die Motivationslage von Suchmaschinenbetreibern verstärken, ihrer Verantwortung in einem offenen Internet als Garant für ein Menschenrecht auf Internet gerecht zu werden.

  1. Der Text gibt die persönliche Meinung des Verfassers wieder.
  2. In diese Richtung weist auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2013 III ZR 98/12, die freilich nicht, wie oft falsch zitiert, ein Grundrecht auf Internet statuiert, sondern festgellt, dass die Nutzbarkeit des Internets auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist.
  3. Zur Gefahr solcher geschlossenen Systeme für Unternehmen: Schumacher, Fanpage statt Domain: http://t3n.de/news/fanpage-statt-domain-welche-gefahren-facebook-google-279819/.
Autoren
Lorena Jaume-Palasi
Lorena Jaume-Palasi
Sebastian Haselbeck
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