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Interview mit Hans-Peter Friedrich

Interview mit Hans-Peter Friedrich

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"Grundsätzlich muss natürlich jeder selbst entscheiden, wie viel er von sich selbst im Internet preisgeben möchte."
Gleichgewicht und Spannung zwischen digitaler Privatheit und Öffentlichkeit
Phänomene, Szenarien und Denkanstöße
Inhaltsverzeichnis
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Was zeichnet die verfügbaren Daten/Informationen aus? Was ist das qualitativ Neue der Daten?
Wissen ist Macht. Und der kostbare Rohstoff, aus dem das Wissen gemacht wird, ist die Information. Lange Zeit hatte nur ein eng begrenzter Kreis von Personen Zugang zu Informationen. Bücher und Zeitungen waren – global betrachtet – nur für eine Minderheit zugänglich. Das ist heute anders. Das Internet hat den Zugang zu Informationen und Daten "demokratisiert": Wissen ist heute praktisch überall, jederzeit und für jedermann verfügbar. Das Internet ist eine kollektive Informationsquelle, aus der sich jeder bedienen kann – vorausgesetzt er hat Zugang zu Computer und Netz.
Und diese Informationsquelle sprudelt lebhaft: Täglich – ja sekündlich – füllt sich das Internet mit neuen Informationen – mit Wissen über die Welt und mit Wissen über uns. Das hat viele positive Folgen. Wenn ich zum Beispiel an mein Studium zurückdenke, dann kommt mir das vor wie ein Blick in eine andere Welt: wir Studenten mussten oft stundenlang in Bibliotheken recherchieren, um Gerichtsurteile und Fachaufsätze zu einem bestimmten Thema herauszusuchen. Und wenn man Pech hatte, war die relevante Seite zuvor von einem anderen Kommilitonen herausgerissen worden. Hinzu kam: Manche Bücher waren nicht immer verfügbar. Mitunter mussten sie in anderen Bibliotheken bestellt werden. Eine Wartezeit von einer Woche war dann normal. Heute hingegen sind viele dieser Informationen oftmals nur einen Mausklick entfernt.
Neu ist auch die Schnelligkeit, mit der das Internet Entwicklungen und Ereignisse in der ganzen Welt verbreiten kann. Wenn wir vom "global village", vom globalen Dorf, sprechen, dann ist das Internet so etwas wie der virtuelle Dorfplatz dieses globalen Dorfs. Und dieser virtuelle Dorfplatz verändert nicht nur die Art und Weise der Berichterstattung. Wir alle kennen die Bilder vom Tahrir-Platz. Das Internet transportierte sie in Sekundenschnelle um die ganze Welt – ungefiltert und höchst individuell kommentiert, mit enormen Auswirkungen auf die Entwicklungen vor Ort und in der Region.

Wer entscheidet im Einzelfall, wo die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem verlaufen? (Gesellschaftliche Perspektive)
Grundsätzlich muss natürlich jeder selbst entscheiden, wie viel er von sich selbst im Internet preisgeben möchte. Der Einzelne kann dies tun, indem er etwa seine Einstellungen in einem sozialen Netzwerk festlegt und seinen Freundeskreis definiert. Manchmal liegt es aber eben auch nicht in meiner Hand, z.B. wenn ich eine öffentliche Diskussionsveranstaltung besuche, mich zu Wort melde und die Veranstaltung später ins Netz gestellt wird. Von der Dokumentation der Diskussion profitieren wir letztlich wieder alle. Insofern wird die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem auch durch das öffentliche Interesse bestimmt. Wir müssen uns wahrscheinlich daran gewöhnen, dass wir durch das Internet auch ein Stück weit zu einer öffentlichen Person werden. Wichtig ist es, die Balance zu halten und auch der Privatheit Raum zu geben.

Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Identität und Öffentlichkeit und welche Spielarten gibt es? (Gesellschaftliche Perspektive)
Das Internet – so sagen die Experten – vergisst nichts. Es dokumentiert dauerhaft und öffentlich. Das ist nichts Schlechtes. Viele von uns werden im Internet alte Schulfreunde wiederentdeckt oder festgestellt haben, dass man mit der alten Sandkastenfreundin heute über drei Ecken beruflich zu tun hat. Wie stets, gibt es aber auch hier zwei Seiten einer Medaille: Denn im Internet finden sich unter Umständen auch Jugendsünden, alte Kontakte und Aktivitäten, an die man ungern erinnert werden möchte. Und die Gewichtung all dieser Mosaiksteinchen übernimmt die Suchmaschine. Das führt zu der Frage: Wie kann ich das Bild, das von mir gezeichnet wird, beeinflussen oder wieder gerade rücken? Die Wechselwirkungen zwischen Identität und Öffentlichkeit sind mitunter enorm facettenreich. Das Bundesministerium des Innern hat sich dieser interessanten Fragen mit dem Ideenwettbewerb „Vergessen im Internet“ angenommen (www.vergessen-im-internet.de ). Jeder ist eingeladen, sich hieran bis zum 31. Januar 2012 zu beteiligen.

Wo ist Ihnen Anonymität wichtig? (Individuelle Perspektive)
Anonymität ist mir dort wichtig, wo sie dem Schutz von Menschen dient. Gerade Beratungsstellen und Einrichtungen der Seelsorge müssen Anonymität garantieren können, da Menschen in Not sich ihnen nicht anvertrauen würden, wenn sie ihre Identität preisgeben müssten. Anonymität hat ihren Platz auch in Bereichen des Lebens, in denen es ein schützenswertes Vertrauen gibt, das nicht enttäuscht werden darf. Anonymität ist überall dort richtig, wo das Gegenüber kein berechtigtes Interesse an der Kenntnis meiner Identität hat. Ein allgemein gültiges Recht auf Anonymität gibt es in unserer Gesellschaft nicht. Denn das Recht, zu wissen, mit wem man es zu tun hat, ist auch schützenswert. Das hat etwas damit zu tun, dass man Verantwortung übernimmt für das, was man tut und sagt. Ich empfinde es – gerade auch angesichts unserer jüngeren Geschichte – als ein wertvolles Gut, dass jeder von uns heute in politischen Debatten mit offenem Visier streiten kann und mit seinem Namen für die eigene Meinung einstehen kann. Und dieses wertvolle Gut sollten wir auch auf dem virtuellen Dorfplatz nicht preisgeben.

Autoren
Gordon Süß
Sebastian Haselbeck
Gordon Süß
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