Interview mit Stefan Ferber
Interview mit Stefan Ferber
Dr. Stefan Ferber ist Director Communities & Partner Networks im Internet der Dinge & Dienste bei der Bosch Software Innovations GmbH. Dabei vertritt er Bosch in den acatech Projekten „Industrie 4.0“ und „Cyber-Physischen-Systemen” (CPS)
Das Interview mit Dr. Ferber führte Holger Kienle. |
Was charakterisiert für Sie eine Innovation im digitalen Ökosystem?
Ökosysteme erlauben Innovationen für komplexe und facettenreiche Produkte und Dienstleistungen, die eine einzelne Organisation nicht leisten könnte. Gründe dafür sind:
- die benötigten Kompetenzen, die nur in einem interdisziplinären Team verfügbar sind;
- kleine spezialisierte und handlungsfähige Organisationen (Complementors), die aber gleichzeitig im Ganzen kommunikationsfähig sind (siehe: Conway’s Law, Holon nach Arthur Koestler, purposeful systems)
Digitale Ökosysteme bilden sich primär auf technischen Plattformen aus, die als Geschäftsbasis für die Nische dienen (siehe Abbildung). Eine Plattform bildet dabei den technischen und wirtschaftlichen Nährboden für das gesamte Ökosystem. Plattformen können von einzelnen Firmen bereitgestellt werden (z.B. Microsoft für Windows) oder von offenen Communities (z.B. Linux Foundation für Linux).
Wie wichtig sind “open”-Strategien für Innovation?
Offene Systeme haben schon im Open Source Umfeld ihre Wettbewerbsfähigkeit bewiesen und werden sich auf andere Bereiche weiter ausdehnen: z.B. Open Government, Open Hardware. Offene Systeme passen besser zu den globalen gesellschaftlichen Herausforderungen wie zum Beispiel im The Millennium Project artikuliert.
Gibt es “open”-Ansätzte bei Bosch?
In der 126-jährigen Bosch-Firmengeschichte hat Bosch es verstanden, sich als vertrauensvoller und zuverlässiger Partner in verschiedenen Branchen zu etablieren. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung für den langfristigen Erfolg in digitalen Ökosystemen, die Bosch jetzt mit dem Internet der Dinge & Dienste betritt. Beispiele dafür sind
- Bosch intern: ein Bosch internes “Open Source Software Project”, das sich aus dem “Pool” der über 300.000 MitarbeiterInnen weltweit rekrutiert.
- Bosch Teilnahme an einem Industrie-Ökosystem: die aktive Bosch Teilnahme an der Ginivi Alliance, die eine wichtige Infotainment Platform for Automotive darstellt.
- Aufbau eines Bosch Ökosystems: die Aktivitäten des Software- und Systemhauses Bosch Software Innovations in der Infrastruktur für Elektromobilität.
- Forschung: Kooperation mit der Hochschule St. Gallen für die Entwicklung von Geschäftsmodellen im Internet der Dinge & Dienste.
In Ihrem Blog Towards a 2nd Renaissance erwähnen Sie globale Herausforderungen der Menschheit und drücken die Hoffnung aus: “Value orientation begins to replace profit orientation”. Erwarten Sie eine Umorientierung von Innovations-AkteurInnen in diese Richtung? Wie könnte diese Umorientierung aussehen?
Bei den globalen Herausforderungen der Menschheit (Ressourcenknappheit, Post-Wachstumsgesellschaft, Klimawandel) müssen wir uns die Frage Wem gehört die Welt? erneut stellen. Eine wichtige und leider oft vergessene Option ist die Wiederentdeckung der Allmende. In der Open Source Software Entwicklung hat diese in den letzten Jahren Erfolge gefeiert. Dies gilt es nun zu übertragen und oftmals auch die Erfolgsmodelle der historischen Allmende-Kultur wiederzubeleben. Ein Beispiel dafür ist die Bosch Unternehmensstruktur als Stiftung, die sich nicht nur in den vergangenen 50 Jahren bewährt hat, sondern heute Nachahmer bei den erfolgreichen New Economy Neo-Liberalen finden z.B. der Gates-Stiftung. Schon die Frage, in welchen Bereichen ein Unternehmen Innovationen entwickelt und welche Produkte ein Unternehmen anbietet, haben einen Bezug zur Wertorientierung. Plakativ gesprochen baut Bosch keine Waffen und keine Tamagotchi. Von zentraler Bedeutung ist für uns bei Bosch das strategische Leitmotiv „Technik fürs Leben”. Wir wollen Produkte, die unsere KundInnen begeistern und geschaffen werden von Menschen mit Leidenschaft und Herz. Bei der kreativen Erschaffung begeisternder Produkte zielen wir nicht nur auf den rein wirtschaftlichen Erfolg ab. Unser Beitrag für Menschen und Gesellschaft bildet einen übergeordneten sinnstiftenden Rahmen, der unser Tun leitet und uns besonders motivierende Kraft gibt. Das liberale Marktmodell kann heute leider die Internalisierung aller externen Effekte nicht leisten. Unternehmen sollten also jenseits der Kosten- und Profitbetrachtungen einen eigenen Rahmen für verantwortungsvolles Handeln entwickeln. Dieser wird dann Teil der Unternehmensmarke.