Netzpolitik muss global orientiert sein
Netzpolitik muss global orientiert sein
Replik: Privatwirtschaft
Prof. Michael Rotert , eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e. V.
Die Autoren bemerken in ihrer Einführung richtigerweise die Entwicklungen und die wirtschaftlichen und sozialen Potentiale des Internets.
Die damit verbundenen Veränderungen in der Gesellschaft und vor allem bei der Politik sind jedoch nicht nur an den gegenwärtigen Diskussionen und Maßnahmen abzulesen. Daraus kann sicher noch keine Netzpolitik hergeleitet werden. Für mich ist der derzeitige Stand eher eine Suche nach Konzepten, wie und was man regulieren kann. Die Vorteile des Internets beim Einsatz in vielen Bereichen des täglichen Lebens finden dabei weniger Beachtung als ein mögliches Gefährdungsoder gar Überwachungspotential.
Wenn die Politik möchte, dass die gesamte Bevölkerung vom Internet profitieren soll und dafür „Breitband für alle“ propagiert, so reicht das nach meinem Dafürhalten nicht aus. Internetzugang über Funk ist aus verschiedenen Gründen nicht überall gewünscht. So bestehen einerseits Ängste vor Elektrosmog, und andererseits sind Investitionen in schnelle Glasfaseranschlüsse in ländlichen Gebieten aus Sicht der Wirtschaft nicht rentabel oder stehen dem Naturschutz entgegen. Hier steckt die Politik in dem Dilemma, die Wahl zu haben zwischen der Rückkehr zu einem Monopol oder der Subventionierung einiger weniger Großkonzerne. Aus diesem Grund argumentieren die Netzbetreiber in der Diskussion über Netzneutralität mit höheren Kosten, welche sie mit höheren Preisen für priorisierte Dienste abdecken wollen.
Das Angebot und die Qualität der Dienste an sich verschlechtern sich dabei prinzipiell nicht, sieht man einmal von der Übertragungsgeschwindigkeit ab, die einige Dienste wie Videoübertragung etc. komfortabler gestalten würden. Allerdings sollte man bei einer derartigen Aufteilung der Dienste in verschiedene Geschwindigkeitsklassen und damit in verschiedene Komfortklassen nicht übersehen, dass damit die Grundlage für ein Mehrklasseninternet gelegt wird, bei dem folglich ländliche Gebiete benachteiligt werden könnten.
Netznutzer und Diensteanbieter lehnen eine derartige Aufteilung ab, doch Netzbetreiber sehen darin die einzige Möglichkeit, die Investitionskosten in die Netze wieder einzuspielen. Der Vollständigkeit halber sollte aber auch erwähnt werden, dass der Grund dafür in offensichtlich falsch kalkulierten Pauschaltarifen für Internetanschlüsse liegt, die niedrigen Flatrates aber machen wiederum die Internetdienste für ein breites Publikum erst interessant. Die Lösung der Infrastrukturproblematik sollte daher durch die Politik gemeinsam mit Wirtschaft und Kommunen vorrangig bearbeitet werden.
Glücklicherweise ist aber die Infrastruktur nur ein kleiner Teil dessen, was das Internet ausmacht. Die unglaubliche Fülle neuer Dienste, die immer schneller auf den Markt kommen, machen es der Politik auch nicht leicht, denn hier mit Gesetzgebung, Verbraucherund Datenschutz mitzuhalten, scheint schier unmöglich.
Aber auch diese Aspekte zeigen, dass man eigentlich nur verlieren kann, wenn man das globale Internet mit national geltenden Regeln angehen will.
Es macht deshalb auch keinen Sinn, grundrechtlich genau spezifizierte Kommunikationsarten festzulegen. In einem globalen Internet können Informationen mit gleichen Inhalten und gleichem Layout übertragen werden, die zuvor gedruckt verteilt oder als Radiosignal ausgestrahlt wurden. Nachrichten inklusive Filmbeiträge oder Fotos lassen sich in Farbe oder Schwarzweiß auch über das Internet übertragen.
Die journalistische bzw. redaktionelle Auf bereitung kann dabei erst einmal so bleiben, wie sie ist, und damit könnte auch der Art. 5 GG so stehen bleiben. Bei der Übertragung via Internet haben wir es lediglich mit einer Änderung des Trägermediums zu tun.
Mit genau diesem Ansatz könnte man auch die Diskussion bezüglich Internetauftritt der öffentlich- rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten beenden. Man kann hier argumentieren, dass alles, was bisher über den Sender ging, in genau diesem Umfang und Inhalt auch in das Netz eingespeist werden darf. Zusätzliche Dienste, die das Internet ja erst interessant machen, könnten dann nur über einem Bereich bei diesen Anstalten wahrgenommen werden, der eben gerade nicht öffentlich finanziert ist. Dies wäre sicher eine Möglichkeit der besonderen Situation in Deutschland, wo die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten vom Bürger finanziert werden, gerecht zu werden. Damit müsste auch keine Diskussion geführt werden, ob Internetdienste näher bei Presse oder Rundfunk liegen. Vergleiche mit auslaufenden Technologien sind irreführend und erzeugen eine Art hausgemachter Problematik, die zudem vom extrem komplizierten deutschen Steuersystem und Föderalismus gestützt wird. Andere Länder haben dieses Problem nicht!
Wesentlich diffiziler ist die Einschätzung der im Grundgesetz in gleichem Atemzug genannten Pressefreiheit. So ist es bei Druckerzeugnissen relativ einfach, den Autor zu bestimmen, und auch die Qualität der Inhalte lässt sich hier einfach an die vorherrschenden gesellschaftlichen Wertevorstellungen anpassen. Im Internet, in dem es etwas ungeregelter zugeht und jeder Leser auch Autor sein kann, ist dies nicht gegeben. Aber trotzdem passt nach meiner Meinung der 2. Satz von Art. 5 Abs. 1 GG noch
Möglicherweise wäre es hilfreich, hier transaktionsorientiert zu denken. Das eigentliche Recht auf Pressefreiheit sehe ich aber nicht im Fokus der Diskussion, denn ebenso schwierig gestalten sich die Anforderungen z.B. an Verbraucherschutz und Datenschutz. War vorher die Rollenverteilung von Anbieter und Verbraucher klar, können diese nun im Netz dauernd wechseln. Möglicherweise hilft auch hier nur eine transaktionsorientierte Sichtweise.
Auch wenn ich den Autoren in ihren Ausführungen über die Bedeutung der Many-to-many-Kommunikation im Internet zustimmen kann, sehe ich keinen Grund, warum man die Ordnungsprinzipien für Rundfunk- und Pressefreiheit nicht zumindest teilweise übernehmen kann. Wenn Presse, Rundfunk und Fernsehen ihre bisher über die traditionellen Medien ausgestrahlte Information zusätzlich über das Internet verbreiten, so müssen diese Ordnungsprinzipien auch dann noch gelten. Geregelt werden müsste die Anschlusskommunikation und die Kommunikation der Nutzer untereinander. Auch hier kann ich mir transaktionsbasierte Regelungen vorstellen.
Die Einschätzung, dass die Gatekeeper des analogen Zeitalters deutlich an Macht verloren haben, ist zwar richtig, gleichzeitig wird aber versucht, hier für die digitale Welt des Internets neue Gatekeeper zu identifizieren. Die Provider[1] säßen doch an der Quelle und könnten kontrollieren, wenn Schund, Unrat und Rechtsverletzungen über das Netz transportiert würden, lautet das Argument, sei es nun bei strafrechtlich relevanten Inhalten wie Kinderpornographie, Urheberrechtsverletzungen oder auch nur verbotenem Glückspiel. Immer wieder werden die Zugangsanbieter hier als Gatekeeper bezeichnet.
Blocken, Sperren und Filtern von Kommunikationsströmen sind eigentlich in Art. 5 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Umso befremdlicher wirkt es, wenn sowohl Exekutive als auch Legislative hier Techniker als Gatekeeper einsetzen wollen, um Grundrechte außer Kraft zu setzen. Damit soll nicht gesagt sein, dass strafbare Inhalte und Handlungen zu tolerieren wären, wenn sie über das Internet verbreitet bzw. begangen werden. Es geht ausschließlich um Kontrollmechanismen, die bei Presse und Rundfunk einfach ausgeübt werden konnten, im globalen Internet aber sicher anders gehandhabt werden müssen.
Eine sichere Methode ist das Ansetzen an den Endpunkten der Kommunikation, wenn es denn möglich ist. Sei es beim Nutzer oder beim Inhalteanbieter. Keinesfalls darf die Kontrolle beim Betreiber der Infrastruktur bzw. beim Internetzugangsanbieter liegen. Selbstbestimmung der Nutzer durch entsprechende Mechanismen auf dem Endgerät (PC, Notebook etc.), auch als nutzerautonome Filter bezeichnet, erlauben es dem Endbenutzer, ungewollte Kommunikation zu verhindern, ohne dabei die Kommunikationsmöglichkeiten einzuschränken.
Ich bin nicht der Meinung, dass die Internetdienstefreiheit von Presse- und Rundfunkfreiheit abzugrenzen ist. Sieht man sich die derzeitige Entwicklung an, so kann in nicht allzu ferner Zukunft alles im Internet integriert transportiert werden. Ob man das dann noch Internet nennen wird, ist dabei ohne Bedeutung. Deswegen macht es auch keinen Sinn, für eine kurze Zeit von linearen und nicht-linearen Diensten zu reden, denn auch Rundfunk wird bzw. ist schon ein Internetdienst, auch wenn die Inhalte noch teilweise über terrestrische Sender in Form elektromagnetischer Wellen ausgestrahlt werden. Nur so macht die Festlegung der Rundfunkgebühren auch für PCs Sinn.
Es ist deshalb sinnvoll, über eine neue Formulierung nachzudenken, welche den Entwicklungen Rechnung trägt, d. h. die vom Übertragungs- bzw. Kommunikationsmedium ebenso zu abstrahieren ist wie von Presse- und Rundfunkfreiheit. Nur dann sind wir sicher, dass wir in ein paar Jahren nicht schon wieder eine ähnliche Diskussion führen müssen.
Die Autoren sprechen in den Schlussfolgerungen von „der“ Netzpolitik was meiner Meinung nach unglücklich formuliert ist. Besser wäre von „Schlussfolgerungen einer Netzpolitik in Teilbereichen“ auszugehen, welche sich wie folgt kommentieren lassen: Der Erörterung der Netzneutralität kann auch aus Sicht der Internetwirtschaft nicht widersprochen werden. Netzbetreiber werden dies anders sehen.
Auch die Tatsache, dass die Orientierung im Internet über Suchmaschinen gewisse Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, ist richtig. Gegenmaßnahmen bei Diskriminierungen dürften bei ausländischen Suchmaschinen ins Leere laufen. Deshalb würde ich den Empfehlungen noch hinzufügen, dass über Forschungsförderung einheimische Technologien entwickelt und als Alternativen angeboten werden. So gibt es durchaus Suchmaschinen mit speziellen Datenschutzversprechen, welche stärker empfohlen werden sollten. Insgesamt sollten genau in diesem Bereich Empfehlungen und Verhaltensregeln verstärkt propagiert werden bzw. Förderungen für Entwicklungen angegangen werden.
Bei der Qualitätsbetrachtung würde ich vielmehr auf eine Ausbildung schon in den Grundschulen setzen. Dies bedingt natürlich, dass entsprechend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen müssen. Damit kann für die Zukunft sichergestellt werden, dass der Nutzer Qualitätsunterschiede erkennen kann. Eine weitergehende Förderung wäre in meinen Augen zu wenig zielgerichtet.
Das Zusammenspiel von Journalismus und Netzgemeinde ist ausschließlich dem Qualitätskapitel zuzuordnen. Die derzeit diskutierten Mechanismen wie Leistungsschutzrecht etc. sind weder zielführend noch entsprechen sie dem Prinzip des Internets. Pauschale Abgaben oder Gebühren führen immer wieder zu Diskussionen, Ungleichgewicht, mangelhafter Gleichbehandlung, Unzufriedenheit und können neue, angepasste Geschäftsmodelle auch nicht übergangsweise ersetzen. Der Feststellung „die Ökonomisierung der Medienmärkte erfordert eine neue, intensive Debatte über binnenpluralistische Sicherungen der Medienfreiheiten...“ kann ich deshalb nur zustimmen.
Internetzugang für alle ist sicher wünschenswert. Im Hinblick auf kommende Entwicklungen würde ich mich aber nicht auf eine Zugangstechnologie festlegen und schon das Wort Internet weglassen, denn wer weiß jetzt schon, ob ein zukünftiges Netz auch noch Internet heißt. In dem bloßen Wort Netzzugang wären auch Telefon, Fernsehen etc. mit erfasst, was damit die integrative, konvergente Entwicklung des Internets widerspiegeln würde.
Darauf würde ich aufsetzen, und man sollte nicht versuchen, mit Parallelen zu auslaufenden Technologien moderne Entwicklungen in unpassende Schemata zu pressen.
Eine Netzpolitik für das 21. Jahrhundert sollte flexibel auf rasche Entwicklungen reagieren können. Selbstregulierung der Industrie und Multistakeholderansatz, verbunden mit Rechtsicherheit für die Erbringer von Internetdiensten, sind dabei unabdingbare Elemente.
- ↑ Gemeint sind Firmen, die den Zugang zum Internet anbieten (Accessprovider oder Zugangsanbieter). Generell ist zu unterscheiden zwischen Zugangs-, hosting- und Inhalteanbietern.